Die auf einer Anhöhe gelegene Dorfkirche von Sylbitz ist etwas ganz Besonderes. Doch erst beim näheren Hinsehen offenbart sich ihre ungewöhnliche Bauform: Anders als die meisten Gotteshäuser ihrer Zeit im Alten Wettiner Land befindet sich der Glockenturm direkt über dem Chor. Auch die Tatsache, dass sie seit ihrem Bau um 1200 fast unverändert besteht, macht die romanische Kirche zu einer der wertvollsten Sehenswürdigkeiten im Alten Wettiner Land.
Warum gerade die kleine Kirche von Sylbitz so auffällig anders gestaltet ist, darüber kann man heute nur mutmaßen. Neben vereinzelten Vorkommen in Sachsen und Thüringen waren Chorturmkirchen vor allem auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg verbreitet. Erstmals erwähnt wurde die Kirche in einer Urkunde von 1260, in der Graf Dietrich I. von Brehna-Wettin die Schenkung einiger Hufen Land in „Sulwitz“ an die Einwohner zur Ausstattung ihrer Pfarrei bestätigte.
Untersuchungen an den ältesten Bauteilen legen die Vermutung nahe, dass die Kirche bereits um 1200 erbaut worden war. Davon zeugt auch der Abdruck eines sogenannten Moritzpfennigs aus jener Zeit, der in die kleinere der beiden Glocken der Sylbitzer Kirche eingelassen ist. Über die Jahrhunderte kam es kaum zu größeren Veränderungen an dem einschiffigen Gebäude. So wurden nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg das Dach erneuert sowie eine barocke Empore, Kanzel und ein Beichtstuhl hinzugefügt. Zudem wurden die Fenster der Südfront vergrößert. Im 19. Jahrhundert kam der Portalvorbau anstelle der einstigen Leichenhalle hinzu. Die mittelalterliche polychrome Wandbemalung wurde später weiß übertüncht und konnte nur noch in Resten nachgewiesen werden.
Der zunehmende Verfall seit den 1980er Jahren wurde durch den 2001 gegründeten Förderverein Chorturmkirche Sylbitz e.V. gestoppt. Seitdem wurde die Kirche aufwendig restauriert und präsentiert sich heute in einem soliden Zustand. Während die Wände von Kirchenschiff und Chorturm aus lokalem Porphyrbruchstein errichtet wurden, haben die Erbauer für die Apsis wie auch für die Eckverbände, die romanischen Bögen im Inneren und die Schmuckelemente behauenen Sandstein verwendet.
Das schlichte Gotteshaus besticht durch seine versteckten architektonischen Details. So ziert das romanische Rundstabportal etwa ein Tympanon mit einem für eine Dorfkirche ungewöhnlich detailreichen Relief. Neben paradiesischen Pflanzen zeigt es zwei Tiere, die landläufig als Wolf und Kranich interpretiert werden und für die gleichnamige Fabel von Äsop stehen sollen. Im Innenraum blieben die romanische Altarplatte, das Sandsteintaufbecken aus dem 13. Jahrhundert, eine hölzerne Truhe aus dem 13. Jahrhundert sowie eine spätgotische Sakramentsnische erhalten. Die Orgel von 1877 stammt aus der renommierten Zörbiger Manufaktur Rühlmann.
Infos
Chorturmkirche Sylbitz, Zum Kirschberg 3, 06193 Petersberg, www.chorturmkirche-sylbitz.de
Schlüssel zur Beischtigung im Nachbarhaus Kirschberg 2
Sehenswertes in der Umgebung
Denkmalgeschützter Ortskern Das Ensemble aus einer ganzen Reihe sehenswerter historischer Gebäude befindet sich südwestlich der Chorturmkirche. Rund um einen Platz mit zentral stehender Eiche gruppieren sich Wohnhäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Um die Ecke in der Straße Zum Kirchberg stehen das Pfarr- sowie das alte Schulhaus.
Wallwitz Wichtigste Sehenswürdigkeit des 1184 erstmals erwähnten Ortes unweit von Sylbitz ist die 1869 nach Plänen des preußischen Hofbaurats Friedrich August Stüler errichtete Kirche. Mit ihrem Westquerturm, den rot leuchtenden Bruchsteinen aus lokalem Porphyr und dem Stufenportal zitiert sie bewusst die Klosterkirche auf dem nahen Petersberg. Das ehemalige Gut von August Knoche besticht durch seine gut erhaltene Bausubstanz. Der auf die Züchtung von Zuckerrübensamen spezialisierte Unternehmer ließ das großzügige Anwesen im Stil von Neoklassizismus und Jugendstil um 1900 erbauen. Heute befinden sich hier die wichtigsten Institutionen der Gemeinde Petersberg.
Hättet Ihr’s gewusst?
Das Recht Münzen, zu prägen, lag im Hochmittelalter eigentlich beim Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Doch der verlieh es nach und nach an Adelige, Kircheninstitutionen und schließlich einzelne Städte. So stammt der Abdruck in der Sylbitzer Glocke von einer einfachen Silbermünze des Erzbistums Magdeburg. Weil die nur einseitig geprägte Hohlmünze den Heiligen Mauritius zeigt, wird sie auch Moritzpfennig genannt.
Konrad sagt…
„Der Teufel soll ganz schön wütend gewesen sein, als man die Kirche in Sylbitz gebaut hat. Mit einem großen Stein wollte er sie zertrümmern. Aber die Mauer soll nur einen kleinen Riss bekommen haben. Den sieht man bis heute, denn immer, wenn man ihn zumauern wollte, kam er gleich wieder zum Vorschein. So erzählen es zumindest die Leute hier – vielleicht ist ja was dran.“